§ 51 EEG – Wenn die 1-Stunden-Regel schon früher käme
Wir untersuchen, wie sich die Strompreise, die Häufigkeit extremer Preise und die Capture Rates verändern würden, wenn die 1-Stunden-Regel des deutschen EEG-Gesetzes zur Aussetzung der Marktprämienzahlungen früher in Kraft träte. Dabei schauen wir auch darauf, wie sich eine mehrjährige Vorverlegung auswirkt.
Wie würden sich die durchschnittlichen Strompreise, die Häufigkeit von Extrempreisen und die Capture Rates verändern, wenn die 1-Stunden-Regel zur Aussetzung der Marktprämienzahlung um ein oder zwei Jahre früher gelten würde? Die Basepreise ebenso wie der Marktwert für Solar und Wind würden ansteigen und die Capture Preise minimal sinken. Deutliche Veränderungen sind aber bei der Anzahl der negativen Preise zu erkennen.
Der Anlass
Die Häufigkeit der Stunden mit negativen Preisen im Sommerhalbjahr 2024 hat auch in der deutschen Bundesregierung Eindruck hinterlassen und Kopfzerbrechen bereitet (vgl. Abbildung 1). Als Reaktion darauf wollte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Herbst 2024 noch eine EEG-Novelle auf den Weg bringen. Ein Aspekt darin sollte sein, die Auszahlung der Marktprämie bei jeder einzelnen Stunde mit negativen Preisen auszusetzen. Das sollte für alle Anlagen mit mehr als 400 kW Nennleistung gelten, die ab dem Jahr 2025 in Betrieb genommen werden.
Im EEG 2023 war diese sogenannte „1-Stunden-Regel“ noch auf das Jahr 2027 festgelegt. Bis dahin (2023 bis 2026) galt eine stufenweise Absenkung von der 4-Stunden-Regel auf die 2-Stunden-Regel. Hinter dieser Regel verbirgt sich, dass der Anspruch auf Auszahlung der Marktprämie erlischt, wenn entsprechend viele Stunden mit negativen Preisen direkt hintereinander in der Day-Ahead-Auktion für das deutsche Marktgebiet auftreten. Nach Vorgaben der EU-Kommission muss die 1-Stunden-Regel spätestens im Jahr 2027 eingeführt werden.
Um die Häufigkeit der Stunden mit negativen Preisen in der Day-Ahead-Auktion zu reduzieren, stand ein Vorziehen dieser 1-Stunden-Regel im Raum. Ob und wann diese EEG-Novelle nach dem Auflösen der Ampel-Koalition in Kraft treten kann, ist derzeit nicht klar.
Was wir untersuchen können, ist, wie sich das Vorziehen der 1-Stunden-Regelung auf den Strommarkt auswirken würde. Dazu haben wir von Montel Analytics zwei Sensitivitäten zum Referenszenario, das „Central Szenario“1 aus aus den Strompreisszenarien (Stand Dezember 24), berechnet:
Die 1-Stunden-Regel tritt zum 1.1.2025 in Kraft (hier: 2025er-Sensitivität)
Die 1-Stunden-Regel tritt zum 1.1.2026 in Kraft (hier: 2026er-Sensitivität)
Für die Simulation haben wir das fundamentale Strommarktmodell Power2Sim eingesetzt. Die 1-Stunden-Regel haben wir nur auf die zugebauten Kapazitäten angewendet. Der jährliche Zubau folgt den gesetzlichen Zielen der Bundesregierung und verteilt sich im Modell gleichmäßig über die Monate.
Auswirkungen auf das Verhalten der Marktakteure
Im Folgenden werden die Auswirkungen dieser zwei Sensitivitäten für die Preise der Day-Ahead-Auktion im Marktgebiet Deutschland untersucht (Kontrakte für volle Zeitstunden). Mit der Einführung der 1h-Regel für Anlagen mit mindestens 400 kW Nennleistung ist aus marktrationalen Überlegungen heraus zu erwarten, dass sich die Gebotsstrategie der jeweiligen Direktvermarkter dieser Anlagen verändert.
Eine geeignete Gebotsstrategie wäre es, zu Null EUR pro MWh zu bieten, um möglichst weit vorne in der Merit-Order am Day-Ahead Markt zu stehen, aber eben nicht bei negativen Preisen zu verkaufen. Damit vermeidet der Verkäufer der geförderten Anlage also, bei negativen Preisen zu verkaufen und den entsprechenden Preis zu zahlen, ohne dabei eine Marktprämie als Vergütung zu bekommen.
Ergebnisse am Markt
Negative und Nuller-Preise
Die Anzahl negativer Preise geht mit einer vorgezogenen 1-Stunden-Regelung stark zurück. Im Referenzszenario läuft die Anzahl der negativen Preisstunden zum Ende des Jahrzehnts gegen Null. In der 2025er-Sensitivität verringert sich die Anzahl negativer Preise gegenüber dem Referenzszenario im Lieferjahr 2025 um über 35 Prozent. Im Lieferjahr 2026 beträgt die Verringerung rund 85 Prozent. In der 2026er-Sensitivität verringert sich die Anzahl negativer Preise dahingegen im Lieferjahr 2026 um rund drei Viertel gegenüber dem Wert aus dem Referenzszenario (vgl. Tabelle 1).
Im Gegenzug dazu steigt die Anzahl der Stunden mit einem Preis von Null EUR pro MWh beim Vorziehen der 1-Stunden-Regel im Vergleich zum Referenzszenario in beiden Sensitivitäten an. Im Falle der 2025er-Sensitivität steigt die Anzahl um rund 22 Prozent für das Lieferjahr 2025, für das Lieferjahr 2026 um rund 55 Prozent. Auch im Falle der 2026er-Sensitivität sehen wir eine Steigerung von knapp 50 Prozent für das Lieferjahr 2026 (vgl. Tabelle 2).
Tabelle 1: Veränderungen der Anzahl der Stunden mit negativen Preisen gegenüber des Referenzszenarios [Datenquelle: Montel Analytics]
Tabelle 2: Veränderungen der Anzahl der Stunden mit Nuller-Preisen gegenüber des Referenzszenarios [Datenquelle: Montel Analytics]
Im weiteren Verlauf zeigt das Central-Szenario, dass die Anzahl der Stunden mit negativen Preisen unbedeutend klein ist, was in den Sensitivitäten übernommen wird. Die Anzahl der Stunden mit Nuller-Preisen steigt dagegen kontinuierlich an. Gegenüber den modellierten Ergebnissen für das Jahr 2025 verdreifacht sich die Häufigkeit von Nuller-Preisen bis zum Jahr 2030. Ausgehend davon verdoppelt sie sich abermals bis 2040. Das impliziert, dass die fluktuierenden erneuerbaren Energien, die Grenzkosten nahe Null haben, in einem Großteil der Stunden des Jahres preissetzend sein werden.
Baseload Preise
Die Baseload-Preise sind vom Vorziehen der 1h-Regelung kaum betroffen. Da viele negative Preise mit Nuller-Preisen ersetzt werden, erhöht sich folgerichtig der Durchschnittswert für das gesamte Jahr. Die 2025er-Sensitivität führt im Lieferjahr 2025 zu einer Erhöhung des Jahresbase-Preises von 0,1 Prozent, die 2026er-Sensitivität führt im Lieferjahr 2026 zu einer Erhöhung von 0,6 Prozent (vgl. Abbildung 2).
Bei der monatlichen Auswertung fällt die Schwankungsbreite etwas größer aus: Im Zeitraum bis 2027 beobachten wir in der 2025er-Sensitivität gegenüber dem Referenzszenario eine Erhöhung um maximal 0,72 EUR/MWh (Oktober 2026), in der 2026er-Sensitivität erreicht die Erhöhung im Dezember 2026 sogar 5 EUR/MWh.
Das liegt jedoch an Sondereffekten und bildet eine Ausnahme in Anbetracht der übrigen Monate. Das Aufeinandertreffen bestimmter Typtage und Wetterkonstellationen sind die Ursache. Ein auffälliges Muster der monatlichen Werte, dass heißt eine Form von Saisonalität, lässt sich nicht erkennen.
Aus dem Vorziehen der 1h-Regel lässt sich also ableiten, dass die Kosten für den Strombezug eines Base-Profils nicht nennenswert erhöht werden.
Capture-Preise
Neben den Kosten für Strom ist es auch wichtig, das Erlöspotenzial der EE-Anlagen zu untersuchen. Doch auch hier zeigt sich durch das Vorziehen der 1-Stunden-Regel nur ein geringer Effekt: Der Marktwert für Solar erhöht sich in der 2025er-Sensitivität in den Jahren 2025 und 2026 um 0,2 bzw. 0,3 Prozent. Der Marktwert für Wind onshore erhöht sich entsprechend um 0,6 bzw. 0,7 Prozent.
Der Marktwert ergibt sich als mengengewichteter Durchschnittswert aller Stunden des Jahres (also inklusive negativer Preise). Für die Capture-Preise Solar und Wind onshore zeigt sich das umgekehrte Bild. Der Capture-Preis bestimmt den durchschnittlichen Erlös einer Anlage bei nicht-negativen Preisen, also Null und positiv. Wie gezeigt, erhöht sich die Anzahl der Stunden mit Nuller-Preisen, was den durchschnittlichen Erlös senkt. Für die 2025er-Sensitivität beträgt die Absenkung in den Lieferjahren 2025 und 2026 für Solar 0,1 bzw. 0,2 Prozent, für Wind onshore sind es 0,1 bzw. 0,4 Prozent (vgl. Abbildung 3 und 4).
Während der Capture-Preis als Richtwert für den durchschnittlichen Erlös fällt, steigt das Vermarktungsvolumen, also diejenige Strommenge, die verkauft werden kann. In der 2025er-Sensitivität erhöht sich dieser Wert in den Jahren 2025 und 2026 für Solar um 3,3 bzw. 4,7 Prozent. Für Wind onshore sind es entsprechend 3,6 bzw. 7,6 Prozent Erhöhung. Der Grund dafür ist, dass die Anzahl an Stunden mit negativen Preisen in den Zeiten zurück geht, in denen Solar- und Windenergieanlagen ihren Strom einspeisen können. Der Zugewinn im Vermarktungsvolumen der förderfreien Anlagen übersteigt den Verlust aus der Capture-Rate deutlich.
CONCLUSION
Written by:
Matthis Brinkhaus
Montel Analytics Team